Ein Tag in meinem Leben: So sah mein 12. April 2022 aus.
Praxistag im Herzen von München. Die Sonne lud dazu ein, in der Mittagspause durch die Altstadt zu stromern und den Nachhauseweg über die Theatinerstraße zu verlängern. Aufbruchsstimmung lag in der Luft und die ansonsten so gerne grantelnden Münchner trugen – passend zu der neuen Frühlingskollektion ein Lächeln auf den Lippen.
Durch die Kameralinse betrachtete ich die Münchner Öffis heute mit anderen Augen. Wie aus dem Ei gepellt zeigte sich die Linie 5. Als ob sie während der letzten Sturm- und Regentage schon heimlich den Frühjahrsputz veranstalte hat, um heute ganz besonders strahlend ihre Gäste zu befördern.
Ich liebe die barocke Gelassenheit Münchens. Und immer wieder trifft man auf unsere Landes-Mama: die Bavaria. Als ich sie grüßte, zwinkerte sie mir zu und flüsterte: „vergiß nicht, das Leben zu genießen!“ „Ja, Mama, die Bitte erfülle ich heute gerne!“
Und auch die Räder des Lebens findest man in München an vielen Ecken. Es scheint, als würden die Menschen nicht nur im Voralpenland die Liebe zur Natur und ihrem zyklischen Rhythmen bewahrt haben. Auch die bayrische Residenzstadt zeigt dem, der Interesse hat, ihr Wissen um die natürliche Kraft der Wandlung.
München ist ja bekanntlich die nördlichste Stadt Italiens. Stolz reckt sich das Zitronenbäumchen am Viktualienmarkt den Bewunderern entgegen, haucht mir den zarten Duft von Dolce far niente entgegen und lädt mich in die Schrannenhalle ein
Ich schwelge in den Düften, die von jenseits des Brenners in die Stadt wehen und kann nicht anders, als Pane, Ricotta, Salame und viele Erinnerungen an Italienurlaube mitzunehmen…
Die Oster-Abteilung lässt mein Herz aufgehen. Wie hübsche Bonboniere präsentiert sich das typische Ostergebäck, die Colomba Pasquale. Wie eine Friedenstaube geformt. Kaum vorstellbar, dass diese zarte Backwerk in einem Krieg „erfunden“ wurde. Dass sie Kriege beenden kann, wird spätestens, wenn sie den Gaumen berührt, verständlich.
Bei den Ostereiern werden die unseren sicherlich neidisch. Während sie bemalt und beklebt werden, hüllen sich die italienischen gigantoesken Geschwister ganz opulent in bunte Gewänder. Eine wahre Pracht ist der Aufmarsch, bei dem ich mich nicht sattsehen kann.
Zeit, einen Abstecher zum Kaffehäusl aufm Markt zu machen. Die Sonnenplätze sind heiß begehrt und so teilen wir uns auf. Während meine beste Freundin auf einen frei werdenden Platz lauert, reihe ich mich in die schier endlose Reihe von Kaffeeaddicted ein, die neben dem frisch gerösteten schwarzen Gold auch ein bisserl Italo-Flair genießen wollen.
Auf Kaffeesäcken sitzen wir in der Sonne und schauen den über den Markt flanierenden Menschen zu. Hier treffen Alt-Müncher auf freiheitsliebende Rechtsanwälte, die in Designer-Lederjacken im Biergarten sitzen und glückseelig auf die in der Sonne glänzenden custommade Harleys blicken. Warum ich die nicht abgelichtet habe? Ich will nicht wissen, was die Jungs mit mir anstellen, wenn ich ihre Mitagsruhe störe und ihre Traumblase vom young urban rebell platzen lasse …
Ich schlendere weiter über den Markt und lass mich in Gerüche, Farben und Töne fallen. Überall locken Verheissungen nach der kargen Winterzeit, in der sich das Leben, als ob es enttäuscht davon war, was wir daras machten – oder eben nicht, so weit von uns zurückzog. Als ob es nicht mehr länger warten will, birst es aus allen Marktständen und verführt uns dazu, die Zeit zu vergessen und ein bisschen länger zu vereilen.
Was steht denn da so selbstbewusst auf dem Präsentierteller? „Ideal zum Kochen würfelförmiger Tomaten“, steht da. Ein Objekt, darüber die konventionelle Form des Topfes hinausgeht. WHAT?????? Ich merke, dass meine ehemalige Designhörigkeit (in dieser Zeit MUSSTE eines dieser Alessi-Teekessel-Ungetüme ungebraucht in der Küche stehen) mittlerweile z Grabe getragen wurde. Vielmehr geht’s mir jetzt darum, was „drin“ ist. Und da ich ganz selten würfelförmige Tomaten koche, kann mir diese Auslage nur noch ein stilles Wundern entlocken
Auf dem Weg nach Hause treffe ich auf diese eigenartigen Gesellinnen. Haben die nun Stroh im Kopf oder ist es das Nest für ganz ungehörige Gedankenkreationen? Was würde ich in diesen Nestern ausbrüten? Das erste, was mir dazu einfällt ist: KONTUREN. Gesichter mit Ecken und Kanten, mit Lachfalten und strahlenden Augen. Eigensinnige Wesen mit wogenden Körpern, die uns die Eintönigkeit des Seins aus unserem schlaftrunkenen Blick wischen
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